Nach wie vor ist eine der wichtigsten Änderungen der letzten Jahrzehnte im Erbrecht weithin unbekannt…
Digitales Erbe: Erben dürfen Social-Media-Konten weiterführen
Was passiert mit dem Instagram-, Facebook- oder TikTok-Konto, wenn jemand stirbt? Lange Zeit war unklar, ob Angehörige auf die Online-Profile des Verstorbenen zugreifen dürfen – und wenn ja, in welchem Umfang. Eine aktuelle Entscheidung des OLG Oldenburg (Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23) bringt nun Klarheit und erweitert das digitale Erbrecht erheblich.
Die Richter haben entschieden:
Erben haben nicht nur das Recht, ein Social-Media-Konto einzusehen, sondern dürfen es auch aktiv weiterführen. Damit geht das Gericht über das bekannte BGH-Urteil von 2018 hinaus, das Facebook verpflichtet hatte, den Eltern eines verstorbenen Mädchens Zugriff auf deren Konto zu gewähren. Damals ging es nur um den Lesezugriff. Jetzt wurde entschieden: Das Erbrecht umfasst auch die aktive Nutzung. Im konkreten Fall hatte eine Ehefrau nach dem Tod ihres Mannes dessen Instagram-Account weitergeführt. Später sperrte Meta den Zugang und versetzte das Konto in den sogenannten „Gedenkzustand“. Lesen ja, posten nein – laut Plattformregeln. Die Witwe klagte und bekam recht: Als Erbin sei sie vollständig in das Vertragsverhältnis mit dem Betreiber eingetreten. Der Account gehöre zum Nachlass, ebenso wie Briefe, Tagebücher oder E-Mails.
Die Begründung:
Weder Datenschutz noch Persönlichkeitsrechte stünden dem entgegen. Die Richter betonten, dass die Leistungen des Netzwerks technischer Natur seien, nicht personenbezogen. Auch die Interessen Dritter würden durch die aktive Nutzung nicht stärker beeinträchtigt als durch das bloße Lesen. Das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen werde dadurch nicht verletzt.
Bedeutung für den Alltag:
Die Entscheidung hat weitreichende Folgen. Sie stärkt die Rechte von Angehörigen, die digitale Spuren eines Verstorbenen verwalten – sei es zur Erinnerung, aus wirtschaftlichem Interesse oder um digitale Abos, Daten und Kontakte zu sichern. Zugleich setzt sie die Betreiber sozialer Netzwerke unter Druck, endlich klare Regeln zu schaffen.
Handlungsanweisung: So sichern Sie Ihren digitalen Nachlass
Wer Streit oder Unsicherheiten vermeiden will, sollte zu Lebzeiten vorsorgen:
- Digitale Vollmacht erstellen: Legen Sie fest, wer nach Ihrem Tod Zugriff auf Ihre Online-Konten, Cloud-Dienste und Geräte erhält.
- Passwortliste oder Passwort-Manager hinterlegen: Sicher, verschlüsselt und auffindbar – etwa bei einer Vertrauensperson oder im Testament hinterlegt.
- Social-Media-Einstellungen prüfen: Viele Plattformen (z. B. Facebook, Google) bieten bereits „Kontoverwaltung im Todesfall“ an.
- Im Testament klar regeln: Benennen Sie ausdrücklich, dass auch digitale Konten, Fotos und Daten Teil des Nachlasses sind.
Fazit
Das Erbe endet nicht am Bildschirmrand. Wer stirbt, hinterlässt längst nicht mehr nur Fotos, Schmuck und Konten – sondern auch Profile, Passwörter und Daten. Das OLG Oldenburg macht deutlich: Auch das gehört den Erben.
Autor: Björn Tesche