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Vorerbe – Wann macht das Sinn?

Es sind nur drei Buchstaben, nämlich „Vor-“, die sehr viel verändern und nur selten gut eingesetzt sind. Die Rede ist von dem Vorerben. Die Einsetzung zum Vorerben (statt zum Erben oder zum alleinigen Erben oder zum Miterben) und eines oder mehrerer Nacherben hat zur Folge, dass der Vorerbe den Nachlass bzw. seinen Erbteil als Sondervermögen zu verwalten hat und nur eingeschränkt über zum Nachlass gehörende Vermögensgegenstände verfügen darf. Denn der Zweck der Vor- und Nacherbfolge liegt darin, dass der Bestand des Vermögens des Erblassers zugunsten des Nacherben erhalten bleibt. Der Erblasser vererbt sein Vermögen also zweimal: zunächst an den Vorerben und nach dessen Tod an den Nacherben. Auch steuerlich wird der Nachlass zweimal vererbt

Der Vorerbe darf den Nachlass nur nutzen, aber nicht verbrauchen wie ein „normaler“ Erbe. Verfügungen des Vorerben über Grundstücke sind bei Eintritt der Nacherbfolge, also regelmäßig beim Tod des Vorerben, unwirksam, es sei denn, der Nacherbe hat der Verfügung zugestimmt. Schenkungen von Nachlassgegenständen sind dem Vorerben untersagt, soweit diese Schenkungen nicht sogenannte Anstandsschenkungen sind. Neben diesen Beschränkungen gilt der Grundsatz der Surrogation. Danach gehört alles, was der Vorerbe z.B. als Ersatz für einen zerstörten Nachlassgegenstand erwirbt oder was er mit Mitteln der Erbschaft kauft, automatisch zur Erbschaft und fällt beim Nacherbfall dem Nacherben zu.

Was der Vorerbe darf, ist, den Nachlass bzw. die einzelnen Nachlassgegenstände unentgeltlich zu nutzen. Der Vorerbe darf also zum Beispiel das im Nachlass befindliche Haus unentgeltlich bewohnen, hat aber dafür auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu zahlen.

Der Erblasser kann den Vorerben nur von einigen, niemals jedoch von allen gesetzlichen Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen befreien. Man spricht in diesen Fällen von befreiter Vorerbschaft. Der befreite Vorerbe darf über Nachlassgegenstände verfügen, also zum Beispiel ein im Nachlass befindliches Haus verkaufen. Der Verkaufspreis steht dann aber nicht dem Vorerben zum Verbrauch zu, sondern fällt als Surrogat (siehe oben) in den Nachlass und darf von dem Vorerben nur genutzt werden (Stichwort Zinsen).

Darüber hinaus gibt es auch noch die Einsetzung des Nacherben auf den Überrest. In diesem Fall braucht der Vorerbe beim Eintritt des Nacherbfalls nur noch die vorhandenen Nachlassgegenstände herauszugeben und – soweit er Nachlassgegenstände für sich verbraucht hat – dafür keinen Ersatz zu leisten. Diese Konstellation ist aber sehr streitanfällig. Denn die Grenzen, was der Vorerbe verbrauchen darf und was nicht, sind schwammig. Stichworte sind hier Missbrauch und verschwenderischer Lebensstil.

Der Vorerbe, ob befreit oder nicht befreit, hat somit nicht allzu viel von der Erbschaft und wird sich vom Erblasser gegängelt fühlen. Streit mit dem Nacherben, der um seine Nacherbschaft fürchtet und das Recht hat, von dem Vorerben ein Verzeichnis über den Nachlass zu verlangen, ist vorprogrammiert. In der Praxis ist das Institut der Vorerbschaft und Nacherbschaft nach entsprechender fachkundiger Beratung von rechtlicher und steuerlicher Seite mit Bedacht einzusetzen. Sinn und Zweck entfaltet die Vorerbschaft/Nacherbschaft in der Regel nur bei sehr speziellen Nachlassgestaltungen wie bei dem Behindertentestament und bei dem Bedürftigentestament.

Autor: Dr. Klaus Krebs

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