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Einen Erwachsenen adoptieren?
Die Adoption eines Erwachsenen mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, doch sie gewinnt mehr und mehr an Beliebtheit. Bei einer Erwachsenenadoption bleiben die verwandtschaftlichen Beziehungen des Adoptierten zu seinen leiblichen Eltern grundsätzlich voll bestehen (sog. „schwache Adoption“). Eine „starke Adoption“ wie bei Minderjährigen ist im Gegensatz dazu nur in bestimmten Fällen möglich.
Häufig spielen bei der Erwachsenenadoption erbschafts- bzw. schenkungsteuerliche Motive eine Rolle. Bei Personen, die nicht mit dem Erblasser verwandt sind, liegt der Erbschaftsteuerfreibetrag bei 20.000 €. Kinder des Erblassers hingegen haben einen Freibetrag von 400.000 € – ein deutlicher Unterschied. Auch die Steuersätze fallen deutlich auseinander: Kindern gegenüber werden abhängig vom Umfang des Nachlasses in der Steuerklasse I Steuern in Höhe von 7 bis 30 Prozent erhoben, während nicht verwandte Personen in der Steuerklasse III mit Steuern zwischen 30 und 50 Prozent rechnen müssen. Ein sonstiger Beweggrund könnte sein, dass durch die Adoption Pflichtteilsansprüche am späteren Nachlass des Annehmenden verringert werden können.
Ein Adoptionsantrag darf aber nicht allein durch wirtschaftliche Überlegungen motiviert sein. Die Annahme eines Erwachsenen als Kind kann nur stattfinden, wenn sie sittlich gerechtfertigt ist. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen den Beteiligten ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Anhaltspunkt dafür ist neben der persönlichen Bindung auch ein Altersunterschied, der einer natürlichen Generationenfolge entspricht.
Eine besondere Herausforderung bei der Erwachsenenadoption besteht darin, dass sie im familiären Umfeld nicht immer auf Verständnis stößt – nicht zuletzt, weil leibliche Kinder eine Schmälerung eigener, erbrechtlicher Ansprüche fürchten. Da eine Adoption ihnen gegenüber materiell-rechtlich wirkt, sind Kinder des Annehmenden im Adoptionsverfahren neben weiteren Personen wie Ehepartnern der Beteiligten anhörungsberechtigt. Die Annahme eines Erwachsenen darf nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen.
In diesem Zusammenhang hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 31.10.2023 – 1 BvR 571/23 – über die Verfassungsbeschwerde des Sohnes eines Annehmenden zu entscheiden. Dieser machte eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend. Mit Erfolg: da seine Stellungnahme nach Ansicht des BVerfG wegen Versäumnissen des Ausgangsgerichts auf der Grundlage unvollständiger Informationen erfolgt war und sich das Gericht in den Entscheidungsgründen auch nicht ausreichend mit seinen Ausführungen beschäftigt hat, musste neu über den Adoptionsantrag entschieden werden.
Eine Erwachsenenadoption bietet die Möglichkeit, tiefe, emotionale Bindungen rechtlich abzusichern. Gleichzeitig bringt sie weitreichende Konsequenzen mit sich, die sowohl familiäre als auch finanzielle Aspekte wie etwa gegenseitige Unterhaltsverpflichtungen betreffen. Auch der Aspekt des Namensrechts darf nicht unterschätzt werden. Daher sind eine sorgfältige Planung und fachkundige Beratung empfehlenswert. Bei überwiegend steuerlicher Motivation sollten Sie sich im Hinblick auf alternative Gestaltungsoptionen beraten lassen.
Autorin: Denise Schillinger