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Sind Schenkungen nach Errichtung eines Testaments erlaubt?

Auf diese Frage gibt es eine Antwort, die in der Rechtswissenschaft sehr typisch ist: „Das kommt darauf an.“
Zunächst kommt es auf die Konstellation zwischen den Beteiligten an. Wir reden bei diesen Fällen von gemeinschaftlichen Testamenten von Eheleuten, in denen in bindender Weise Schlusserben benannt sind, also Personen, die nach dem Tod des Längstlebenden der Eheleute zu dessen Erben bestimmt sind. Ob dies die Kinder der Eheleute sind oder Dritte, ist für die Beantwortung der Frage grundsätzlich nicht von Bedeutung.
Sodann ist festzustellen, dass die Verfügungsbefugnis der Testierenden ihr Leben lang erhalten bleibt. Solange die Testierenden leben, können sie mit ihrem Eigentum machen, was sie wollen. Sie können sich Sachen kaufen oder verkaufen oder auch verschenken. Der Schlusserbe muss das zu Lebzeiten des Erblassers gegen sich gelten lassen. Etwaige Rechte von ihm entstehen erst mit dem Schlusserbfall, also nach dem Tod des Längstlebenden.
Nach dem Schlusserbfall kann der Schlusserbe unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Beschenkten vorgehen, nämlich dann, wenn die Schenkung in einer Weise erfolgt ist, die den Schlusserben beeinträchtigen sollte und wenn das Testament keinen Änderungsvorbehalt enthält, der dem Längstlebenden der testierenden Eheleute lebzeitige Schenkungen erlaubt. Dabei macht in der Praxis vor allem die zuerst genannte Voraussetzung immer wieder Schwierigkeiten, was nicht erstaunlich ist. Denn es muss nicht nur eine objektive Beeinträchtigung festgestellt werden, sondern auch eine subjektive Beeinträchtigungsabsicht des Schenkenden, also eine innere Tatsache.
Diese Beeinträchtigungsabsicht wird dann nicht angenommen, wenn der Schenkung ein so-genanntes lebzeitiges Eigeninteresse zugrunde liegt, womit sich direkt die nächste Frage an-schließt, nämlich was ein lebzeitiges Eigeninteresse überhaupt ist. Hierzu hat die Rechtsprechung verschiedene Fallgruppen herausgearbeitet. Am bekanntesten davon sind Fallkonstellation, bei denen es um die Erfüllung einer sittlichen Pflicht aufgrund von besonderen Leistungen, Opfern und/oder Vermögenszusagen geht, die der Beschenkte für den Erblasser oder eine dem Erblasser nahestehende Person erbracht hat. Ein Beispiel hierfür sind unentgeltliche Leistungen des Beschenkten, die es dem Erblasser ermöglichen, sein Leben in seiner ge-wohnten Umgebung fortzusetzen. Eine andere Fallgruppe betrifft Schenkungen des Erblassers, welche dieser erbracht hat, um seine Altersversorgung und/oder Pflege zu sichern oder zu verbessern. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist ein Fall des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 1995, bei dem eine 61 Jahre alte und an Parkinson erkrankte Witwe ihr Haus einer Bekannten (nicht dem Schlusserben) überschrieben hatte gegen Wohnungsrechtsvorbehalt und Übernahme einer Pflegeverpflichtung. Das Oberlandesgericht hat das lebzeitige Interesse der Erblasserin für die Schenkung bejaht und damit die Beeinträchtigungsabsicht verneint. Die Klage des Schlusserben gegen die Beschenkte wurde abgewiesen.
Liegt aber kein lebzeitiges Eigeninteresse für die Schenkung vor, kann der Schlusserbe von dem Beschenkten nach dem Erbfall die Herausgabe des Geschenks nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen.

Autor: Dr. Klaus Krebs

 

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