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Sorgerechtsentzug nur unter strengen Voraussetzungen zulässig

Wenn anderenfalls das Kindeswohl gefährdet ist, kann ein gerichtlicher Entzug des Sorgerechts angezeigt sein.
Das aber stellt einen massiven Eingriff in das Elterngrundrecht aus Art. 6 des Grundgesetzes dar, der nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluss vom 17.11.2023 – 1 BvR 1037/23 – über die Verfassungsbeschwerde eines Vaters zu entscheiden.
Diese richtete sich gegen den vollständigen Entzug des Sorgerechts für seine drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, und die Anordnung der Vormundschaft für die Kinder durch das OLG Hamm.

Ab dem Jahr 2017 hatte es zwischen den Eltern im Beisein der Kinder vermehrt starke Konflikte gegeben, was im Jahr 2020 schließlich zur Trennung der Eltern führte. Die Kinder litten unter den elterlichen Konflikten, insbesondere die Söhne waren zum Zeitpunkt der Trennung bereits verhaltensauffällig. Die Tochter war seit 2021 in Wohngruppen untergebracht.

Im Ausgangsverfahren beantragte der Kindsvater die Übertragung des alleinigen Sorgerechts.
Es wurde ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten unter anderem zur Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeholt.
Die Eltern erklärten, mit einer Fremdunterbringung der Kinder und einer stationären Unterbringung der beiden Söhne in einer Kinder- und Jugend-Psychatrie einverstanden zu sein.
Auf dieser Grundlage entzog das Familiengericht den Eltern Teile des Sorgerechts und ordnete für diese Bereiche eine Ergänzungspflegschaft an.

Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Vaters hat das OLG den vollständigen Sorgerechtsentzug und Übertragung der Sorge auf Vormünder beschlossen.
Zur Begründung führte es unter anderem aus, dass die Eltern unfähig seien, die Kindeswohlgefährdung, deren Ursachen im Ergebnis in ihrem Hochkonflikt auf Paarebene zu sehen seien, abzuwenden. Allein eine Einschaltung dritter Personen könne verhindern, dass der Konflikt auf Kosten und auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werde.

Das BVerfG erklärte die Verfassungsbeschwerde für offensichtlich begründet. Es sah den strengen Maßstab des Art. 6 Abs. II, III Grundgesetz als maßgeblich an.
Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder danach nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
Dieser Maßstab gilt laut BVerfG auch dann, wenn die Eltern wie vorliegend mit einer Fremdunterbringung der Kinder einverstanden sind und der Vormund die Rechtsmacht erhält, ohne weiteres eine Fremdunterbringung zu veranlassen – auch, wenn er das nicht anstrebt.
Das BVerfG führt aus, dass das OLG das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht hinreichend begründet habe. Die angegriffene Entscheidung lasse die Verhältnismäßigkeit des Sorgerechtsentzugs nicht hinreichend erkennen. Unter anderem werde nicht deutlich, inwieweit der Vormund die Schädigung des Kindeswohls der Söhne abwenden könne und was er anders machen würde als die Eltern.
Auch hätte geprüft werden müssen, ob sich die Situation der Kinder durch den Sorgerechtsentzug auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Folgen (vor allem die Trennung von Eltern und Kind) insgesamt verbessere. Schließlich bestünden Zweifel, ob sich das OLG eine hinreichend tragfähige Tatsachengrundlage verschafft habe.

Autorin: Denise Schillinger

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