Die Geschichte liest sich wie ein Krimi: Als Regisseur Dieter Wedel am 13. Juli 2022…
Unterhalt bei Getrenntleben: Erwerbsobliegenheit vs. Kinderbetreuung
Der Unterhalt unter Ehegatten ist ein häufiger Streitpunkt in familienrechtlichen Auseinandersetzungen.
Schließlich geht es um den eigenen Lebensstandard und nicht zu selten um die gesamte Lebensführung.
Während intakter Ehe ist aufgrund der gegenseitigen Fürsorgepflicht ein Familienunterhalt geschuldet. Nach einer Trennung der Ehepartner können an dessen Stelle ein Trennungsunterhalt und nach der Scheidung ein Nachscheidungsunterhalt treten.
In dem Jahr nach der Trennung ist nach Vorstellung des Gesetzgebers noch offen, ob eine Versöhnung der Ehegatten stattfindet oder nicht: eine Scheidung ist grundsätzlich erst nach dessen Ablauf möglich. Deshalb ist im Trennungsjahr der Ehepartner mit geringerem Einkommen durch Unterhaltszahlungen des anderen regelmäßig weiterhin so zu stellen wie während des Zusammenlebens. Nach Ablauf des Trennungsjahrs ist jeder Ehepartner gehalten, seine Arbeitskraft – soweit es ihm möglich und zumutbar ist – voll auszuschöpfen und das eigene Einkommen durch Arbeit zu maximieren. Zwar wird dabei niemand zur Arbeit gezwungen. Wer seiner sogenannten Erwerbsobliegenheit nicht genügt, kann jedoch ein fiktives, höheres Einkommen angerechnet bekommen – und deshalb im Ergebnis weniger Unterhalt erhalten bzw. mehr Unterhalt bezahlen müssen, als es auf Grundlage des tatsächlich erzielten Einkommens der Fall wäre.
Das OLG Hamm hatte sich im Hinblick darauf in seinem Beschluss vom 4. Juli 2024 – 4 UF 35/24 – mit dem Umfang der Erwerbstätigkeit einer selbständig tätigen Mutter zu beschäftigen. Im Streit um den Trennungsunterhalt für die Ehefrau und Mutter nach Ablauf des Trennungsjahres vertrat der getrenntlebende Ehemann die Ansicht, dass die Antragstellerin ihrer Erwerbsobliegenheit nicht ausreichend nachkomme. Die Ehefrau, bei der die gemeinsamen Kinder lebten, arbeitete in ihrer Selbstständigkeit durchschnittlich 22 Stunden pro Woche. Der Ehemann forderte eine Ausweitung ihrer Tätigkeit oder Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung, um ein höheres Einkommen zu erzielen.
Das Gericht wies die Beschwerde des Ehemanns zurück. Es führte aus, dass die Antragstellerin ihrer Erwerbsobliegenheit genüge. Sie müsse ihre Tätigkeit nicht ausweiten oder wechseln, da ihre selbstständige Tätigkeit eine notwendige Flexibilität für die Betreuung der Kinder, insbesondere eines lernschwachen Sohnes, erlaube. Diese Betreuungspflichten hätten Vorrang, solange sie nicht durch andere Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Fremdbetreuung, gleichwertig abgedeckt werden könnten.
Die Entscheidung zeigt: maßgeblich ist immer der Einzelfall. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit ist besonders auf familiäre Gegebenheiten und Betreuungsbedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Betreuende Elternteile, die in ihrer Berufswahl Flexibilität für die Kinderbetreuung benötigen, sind nicht verpflichtet, zu einer weniger familienfreundlichen Tätigkeit zu wechseln. Weitere Kriterien sind unter anderem das Alter und der Gesundheitszustand des Ehegatten, die Dauer der Ehe und nicht zuletzt auch die langfristige, berufliche Perspektive.
Wer in Unterhaltsfragen unsicher ist, sollte nicht zögern, rechtzeitig fachkundigen Rat einzuholen.
Ein erfahrener Berater hilft dabei, den Überblick zu behalten und die richtigen Weichen zu stellen.
Autorin: Denise Schillinger