Die Sorge in manchen Familien über den Elternunterhalt hat mit einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs…
Pflichtteilsverzicht ja – Erbverzicht nie!
Es kommt vor, dass ein Verzicht auf den Pflichtteil sinnvoll und vor allen Dingen zu bekommen ist, denn zuallererst muss bei dem Pflichtteilsberechtigten die Bereitschaft zum Verzicht bestehen.
Der Pflichtteil besteht in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Er ist ein reiner Geldanspruch und beim Erbfall sofort zur Zahlung fällig.
Eine sinnvolle Konstellation für einen Verzicht kann zum Beispiel bestehen, wenn ein Ehepartner aus einer früheren Beziehung ein Kind hat, zu dem aber kein oder kein guter Kontakt besteht. Aus der zweiten Ehe dieses Ehepartners sind zwei weitere Kinder hervorgegangen. Angenommen dieser Ehepartner will seine jetzige „Kernfamilie“ schützen und für den Erbfall insoweit vorsorgen, dass das Kind aus der früheren Beziehung den Nachlass nicht mit Pflichtteilsansprüchen überzieht. In diesem Fall könnte er versuchen, von diesem Kind einen Pflichtteilsverzicht zu erlangen. Erfahrungsgemäß ist dieser Pflichtteilsverzicht dann nur für eine Gegenleistung zu bekommen, also für eine beim Verzicht fällige Zahlung an den Pflichtteilsberechtigten.
Zuweilen passiert es aber darüber hinaus, dass dieser Ehepartner bei Bereitschaft seines ersten Kindes zum Pflichtteilsverzicht auf die Idee kommt, von dem Kind nicht nur einen Pflichtteilsverzicht zu verlangen, sondern einen Erbverzicht. Ganz nach dem Motto „Ein größerer Verzicht kann nicht schaden“.
Das stimmt in diesem Fall leider nicht und das böse Erwachen kommt zum Beispiel, wenn unser Ehepartner in späteren Jahren mit seinen beiden Kindern aus der aktuellen „Kernfami-lie“ nicht mehr so gut auskommt. Vielleicht weil beide Seiten eine Entwicklung in ganz verschiedene Richtungen nehmen oder weil der Ehepartner den anderen Elternteil der beiden Kinder zu seinem Alleinerben einsetzt und die beiden gemeinsamen Kinder lediglich zu Schlusserben des Längstlebenden, womit die beiden Kinder nicht einverstanden sind.
Wenn nun unser Ehepartner stirbt und gemäß diesem Testament von dem anderen Elternteil allein beerbt wird, führt dies dazu, dass die beiden Kinder enterbt sind und somit einen Pflichtteilsanspruch haben, auch wenn sie Schlusserben des länger lebenden Elternteils sind.
Das spielt für den akuten Erbfall keine Rolle, weil die Nachlässe beider Elternteile im Verhältnis zu ihren Kindern zwei voneinander zu trennende Angelegenheiten sind. Das Kind des verstorbenen Ehepartners aus der früheren Beziehung hat keinen Pflichtteilsanspruch, weil es darauf verzichtet hat. Hätte es nur auf den Pflichtteil verzichtet, wäre dies gut, richtig und ausreichend gewesen. Aber durch den zusätzlichen Verzicht auf den Erbteil wird dieses Kind bei der Berechnung der Pflichtteile der beiden Kinder aus der „Kernfamilie“ nicht mitgerechnet. Dies führt dazu, dass sich die Pflichtteile dieser beiden Kinder auf jeweils 1/8 und damit zusammen auf 25 % erhöhen. Wäre es bei dem Kind aus der ersten Beziehung bei einem Pflichtteilsverzicht geblieben, würden die Pflichtteile der beiden Kinder jeweils 1/12 betragen und damit zusammen 16,66 %. Dadurch, dass unser Ehepartner von seinem Kind aus der früheren Beziehung einen umfassenderen und damit vermeintlich „besseren“ Erbverzicht verlangt bzw. angenommen hat, hat er nur sich selbst bzw. seinen erbenden Partner geschädigt.