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Erbschaft nicht rechtzeitig ausgeschlagen – und jetzt?

Im deutschen Erbrecht gibt es beim internationalen Vergleich einige Besonderheiten. Zwei davon sind die folgenden: Nach § 1943 BGB fällt die Erbschaft ohne Zutun des Erben durch reinen Zeitablauf an und nach 1944 BGB muss die Ausschlagung der Erbschaft binnen sechs Wochen ab Kenntnis von der Berufung zum Erben erklärt werden.

Das ist insbesondere dann eine kurze Zeitspanne, wenn es zu überlegen gilt, eine Erbschaft, deren Zusammensetzung man nicht kennt, anzunehmen oder sie auszuschlagen. Denn geerbt wird das Haus, aber auch die darauf lastenden Schulden. Andere europäische Rechtsordnungen handhaben dies deshalb anders: In der Schweiz zum Beispiel beträgt die Ausschlagungsfrist drei Monate. In Italien tritt der Erbschaftserwerb nicht von selbst ohne Zutun des Erben ein.

Bei uns stellt sich daher die Frage, was zu tun ist, wenn die sechs Wochen schon vorbei sind oder wenn die Ausschlagung nicht richtig erklärt worden ist und man trotzdem kein Erbe sein will. Zu der 6-Wochen-Frist muss man wissen, dass diese erst zu laufen beginnt, wenn der Erbe (1) Kenntnis von dem Tod des Erblassers hat und (2) Kenntnis, dass er zum Erben berufen ist, sei es kraft Testament oder als gesetzlicher Erbe. Zu der Ausschlagungserklärung selbst muss man wissen, dass diese gemäß § 1945 BGB gegenüber dem Nachlassgericht (Amtsgericht, bei dem der oder die Erblasser(in) den letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte) zu erklären ist und zwar dort zur Niederschrift oder zur Vorlage in öffentlich beglaubigter Form, also durch notarielle Erklärung.

Wenn beide oder eine von beiden Voraussetzungen nicht erfüllt sein sollte(n), also entweder nicht innerhalb der sechs Wochen oder nicht beim Nachlassgericht, ggf. über den Notar, gibt es die Möglichkeit, sich durch eine Anfechtung von der automatisch erfolgten Annahme der Erbschaft zu lösen. Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht für alle Betroffenen, vor allem wenn man weiß, dass die Rechtsprechung anfechtungsfreundlich ist, also einer Anfechtung eher stattgibt als sie zurückweist. Bei der Hitparade der häufigsten Anfechtungsgründe belegt der Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses unangefochten den Platz 1, gefolgt von dem Irrtum über die Länge der Ausschlagungsfrist auf Platz 2 und dicht dahinter auf Platz 3 der Irrtum über die Formerfordernisse der Ausschlagung.

Auch die Anfechtung ist fristgebunden und wieder sind es sechs Wochen (§ 1954 BGB), beginnend in dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtende Kenntnis von dem Anfechtungsgrund hat, also zum Beispiel ab dem Moment, in dem er erfährt, dass die Ausschlagung nicht durch einen einfachen Brief an das Nachlassgericht erfolgen kann, sondern dort zur Niederschrift erklärt werden muss bzw. über einen Notar. Für die Anfechtungserklärung selbst gelten die gleichen Formvorschriften wie bei der Ausschlagung, §§ 1955, 1945 BGB.

Das Wichtigste bei alldem ist allerdings, dass die Gründe für die Anfechtung wahr sein müssen. Der Anfechtende muss sich darüber bewusst sein, dass das Amtsgericht als Nachlassgericht und das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht das Vorbringen prüft und davon überzeugt werden muss, dass das, was der Erbe dem Gericht vorträgt, auch tatsächlich stimmt. Nur dann geht die Anfechtung durch und man ist die Erbschaft los. Deshalb sollte sich niemand auf den Notausgang der Anfechtung blind verlassen, sondern die 6-Wochen-Frist für die Ausschlagung sorgsam und ernsthaft nutzen.

Autor: Dr. Klaus Krebs 

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