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Anfechtung eines Testaments wegen Übergehen

Die Regelung in § 2079 BGB erlaubt einem Pflichtteilsberechtigten, unter bestimmten Voraussetzungen das Testament des verstorbenen Erblassers anzufechten und damit zu Fall zu bringen. Die Vorschrift hat damit einen ziemlich explosiven Inhalt und kann für eine Nachlassplanung sehr gefährlich werden. Die Frage ist aber immer, ob die Voraussetzungen für ihre Anwendung vorliegen, was mitunter sehr umstritten ist, wie jüngst ein Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart gezeigt hat.

Dort ging es um einen Mann, dessen erste Ehe schon seit längerer Zeit geschieden war. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Nach der Scheidung war der Mann ebenfalls eine längere Zeit mit einer anderen Frau zusammen, zunächst ohne mit ihr verheiratet zu sein. In dieser Zeit errichtete er ein Testament, in dem er seine beiden Kinder zu seinen Erben einsetzte und für seine Partnerin ein Vermächtnis aussetzt und zwar ein Auto, ein Aktiendepot und ein Wohnrecht an seiner Eigentumswohnung. Später heiratete er diese Frau ohne eine Änderung an dem Testament vorzunehmen. Im Jahr 2018 schließlich verstarb der Mann.

Nun entbrennt ein Streit zwischen seiner (zweiten) Ehefrau und seinen beiden Kindern aus erster Ehe. Denn seine Ehefrau fechtet das Testament an mit der Begründung, sie sei zwar in dem Testament mit einem Vermächtnis bedacht worden, aber zur Zeit der Errichtung des Testaments noch nicht pflichtteilsberechtigt gewesen, weil noch nicht verheiratet mit dem Erblasser. Die Zuwendung des Vermächtnisses sei also nicht im Hinblick auf ihre Pflichtteilsberechtigung erfolgt, die erst nach der Errichtung des Testaments durch die Heirat begründet worden sei. Folglich sei sie als pflichtteilsberechtigte Ehefrau übergangen worden und fechte das Testament deshalb an. Das mag spitzfindig klingen, wird aber in der Rechtswissenschaft zum Teil so vertreten.

Das Oberlandesgericht Stuttgart ist dieser Meinung nicht gefolgt und hat die Anfechtung der Ehefrau als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht stellt zunächst fest, dass durch eine Anfechtung das Testament und damit (der letzte) Wille des Erblassers vernichtet werde. Folglich müsse das Wort „Übergehen“ eng ausgelegt (verstanden) werden. Ein „Übergehen“ im allgemeinen Sprachgebrauch liege nur vor, wenn die betreffende Person weder unmittelbar noch mittelbar bei der Verteilung des Nachlasses berücksichtigt werde. Das sei aber in diesem Fall nicht der Fall. Denn die Ehefrau sei mit einem Vermächtnis bedacht worden. Darauf, dass dies vor ihrer Eheschließung und damit ihrer Pflichtteilsberechtigung erfolgt sei, komme es weder nach dem Wortlaut der Vorschrift an noch nach deren Sinn und Zweck. Denn dem Mann wäre zweifellos bewusst gewesen, dass er verheiratet war und dass seine Ehefrau in seinem Testament mit einem Vermächtnis bedacht, also nicht von ihm (im Wortsinne) übergangen war. Die Behauptung, dass die Frau mit einem größeren Anteil bedacht worden wäre, wenn der Mann bei der Testamentserrichtung gewusst hätte, dass er sie einmal heiratet, sei eine bloße Vermutung, für die sich im Gesetz keine Stütze finde.

Das ist wohl auch richtig so. Trotzdem sollte die Problematik jedem bewusst sein und bei der Nachlassplanung beachtet werden, insbesondere bei zweiten oder späteren Ehen und Kinder aus vorherigen Beziehungen. Es ist sicher sinnvoller, in einer letztwilligen Verfügung für Klarheit zu sorgen als in einem jahrelangen Prozess darauf zu hoffen, von einem Gericht Recht zu bekommen.

Autor: Dr. Klaus Krebs

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