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Ausschlagung einer Erbschaft wegen Bezug von Sozialhilfe?
Das Oberlandesgericht Hamm hatte über folgenden Fall zu entscheiden:
Eine Mutter hat zwei Kinder. Ein Sohn ist infolge eines Verkehrsunfalls schwerstbehindert. Er lebt in einem Heim und besucht eine beschützende Werkstatt. Zu den insoweit entstehenden Kosten, die er nur zum Teil aus eigenem Einkommen aufbringen kann, erhält er Sozialhilfe.
Als die Mutter stirbt, hinterlässt sie kein Testament. Daher tritt die gesetzliche Erbfolge ein, wonach sie von ihren beiden Kindern je hälftig beerbt wird. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einer Eigentumswohnung.
Der Betreuer des schwerstbehinderten Sohnes schlägt für diesen die Annahme der Erbschaft zugunsten des anderen Kindes aus (was dessen Alleinerbschaft bedeuten würde) und beantragt hierfür die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts. Aber das Vormundschaftsgericht verweigert die Zustimmung. Zu Recht?
Das Oberlandesgericht Hamm, zu dem die Sache schließlich über den Instanzenzug kam, meint ja. Denn bei der Entscheidung über die Annahme oder die Ausschlagung einer Erbschaft habe der Betreuer zwar ausschließlich die Interessen des Betreuten wahrzunehmen. Dies befreie ihn aber nicht davon, geltende Gesetze zu beachten und nicht dagegen zu verstoßen. Eines davon sei § 138 BGB. Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Die Ausschlagung einer Erbschaft durch den Sozialhilfeempfänger oder dessen Betreuer, die dazu führe, dass eine bereits bestehende Sozialbedürftigkeit fortbestehe, verstoße gegen die guten Sitten und sei damit nicht genehmigungsfähig durch das Vormundschaftsgericht.
Zur Begründung führt das Gericht aus, dass derjenige, der auf Sozialleistungen angewiesen sei, die durch das Sozialstaatsprinzip verbürgte Solidarität für sich in Anspruch nehme (und auch erhalte). Wenn er aber in einer solchen Situation einen ihm angebotenen Vermögenserwerb nicht annehme, verweigere er umgekehrt der Gesellschaft diese Solidarität, die nur funktioniere, wenn der Vermögende nicht auf die Hilfe der Gemeinschaft zurückgreife. Tue er dies trotzdem und verweigert die Annahme von Vermögen, um weiter Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu können, verstoße das gegen die guten Sitten und sei daher rechtswidrig.
Der behinderte Sohn durfte die Erbschaft somit nicht ausschlagen, wurde durch sie (zumindest vorübergehend) vermögend und verlor bis zum Verbrauch dieses Vermögens seinen Sozialhilfeanspruch.
Fazit: Eine nachvollziehbare Entscheidung. Wenn die Mutter das Vermögen für ihre beiden Kinder hätte erhalten wollen, wäre sie gut beraten gewesen, zu ihren Lebzeiten ein sog. Behindertentestament zu errichten. Diese Testamentsform ist von dem Bundesgerichtshof anerkannt und führt dazu, dass neben den nicht behinderten auch behinderte Kinder bedacht werden können und zwar in einer Weise, dass sie den Bezug von öffentlichen Leistungen durch die Erbschaft nicht verlieren.
Autor: Dr. Klaus Krebs