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Neue Wege für das Behindertentestament

Die Gestaltung von Testamenten zugunsten von Abkömmlingen mit Behinderung und die spätere Durchführung des Testaments stellen die Beteiligten stets vor neue Herausforderungen, die sich in erbrechtlicher als auch in sozialrechtlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht ergeben.

In der Regel verfolgt der Erblasser drei Ziele, nämlich den Erhalt der sozialrechtlichen Leistungsansprüche des Abkömmlings, den Schutz des Nachlassvermögens vor dem Zugriff bzw. Regress des Sozialleistungsträgers sowie die Steigerung der Lebensqualität des Abkömmlings über das Niveau der sozialleistungsrechtlichen Grundversorgung. Klassisch erfolgt die Gestaltung des Behindertentestaments so, dass der Abkömmling mit Behinderung zu einer knapp oberhalb seines Pflichtteils liegenden Quote zum nicht befreiten Vorerben eingesetzt wird und zwar bei beiden Erbfällen, also sowohl beim Tod des Vaters als auch beim Tod der Mutter, vorausgesetzt, deren Ehe ist nicht geschieden.

Zum Nacherben werden entweder der länger lebende Elternteil oder weitere Abkömmlinge des Erblassers eingesetzt. Hinsichtlich der Nachlassbeteiligung des Abkömmlings mit Behinderung wird Dauervollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker wird angewiesen, dem Begünstigten aus dem Nachlass sozialleistungsunschädliche Zuwendungen zu machen, was in dem Testament auszuführen ist.
Diese Form des Behindertentestaments bietet den Vorteil, dass durch höchstrichterliche Rechtsprechung auf zivilrechtlicher, sozialrechtlicher und auf verwaltungsrechtlicher Ebene eine hinreichend geklärte Rechtslage hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeiten des Sozialleistungsträgers und der Sittenwidrigkeit der Gestaltung existiert. Durch die Anordnung der Dauervollstreckung ist es den Gläubigern des Begünstigten, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, nicht möglich, auf den Nachlass zuzugreifen. Dem Begünstigten steht aus dem Nachlass kein sozialrechtlich verwertbares Vermögen zur Verfügung. Durch die Anordnung der Nacherbfolge wird zudem sichergestellt, dass der selbstständige Erbenregress nicht in den ererbten Nachlass geführt werden kann.

Das Stiftungsrecht bietet dazu gegebenenfalls eine interessante Alternative, nämlich die Gründung einer nicht selbstständigen Stiftung durch den Erblasser in Form einer Familienverbrauchsstiftung mit dem Abkömmling mit Behinderung als einzigem Destinatär.
Auf diese Weise entsteht ein zweckgebundenes und vollständig zugunsten des Begünstigten verbrauchbares Vermögen. Zweck der Stiftung würde sein, dem Destinatär solche Geld- oder Sachleistungen zuzuwenden, die der Verbesserung seiner Lebensqualität dienen, auf die der Sozialhilfeträger nach den sozialleistungsrechtlichen Vorschriften nicht zugreifen kann und hinsichtlich derer eine Anrechnung auf etwaige Sozialleistungen nicht in Betracht kommt.
Die Gründung erfolgt durch einen Vertrag zwischen dem Erblasser und einem Treuhänder. Der Erblasser kann den Vertrag ohne erbrechtliche Einschränkungen gestalten. Er kann durch einen Beirat zum Beispiel Geschwisterkinder oder weitere Bezugspersonen in die Verwaltung der Stiftung einbeziehen und hierdurch eine effektive Kontrolle der Stiftung erreichen. Die Stiftung endet, wenn sie ihren Zweck erfüllt hat, spätestens mit dem Tod des Destinatärs.
Das noch vorhandene Stiftungsvermögen fällt entsprechend der Vorstellung des Erblassers den Geschwisterkindern oder einer gemeinnützigen Institution an.
Die Gründung, Ausstattung und Erbeinsetzung der nichtselbstständigen Familienverbrauchsstiftung ist durch einen auflösend bedingten Pflichtteilsverzicht des Destinatärs abzusichern, was aber voraussetzt, dass dieser geistig dazu in der Lage ist.

Autor: Dr. Klaus Krebs
Oberbadische Zeitung/ Artikelserie: „Recht im Alltag“

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