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Nicht immer gegenseitig zu Erben einsetzen!

Es ist wahrscheinlich die häufigste Form von einem Testament: das gemeinschaftliche Testament von Eheleuten, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzen und das oder die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben des Längstlebenden, abgerundet mit einigen weiteren Regelungen, die zu jedem fachgerecht und vollständig errichteten Testament gehören. Grundsätzlich ist das auch eine sehr gute Gestaltung, die für viele Familien passt. Es gibt aber durchaus Konstellationen, in denen dies nicht der Fall ist.
Eine davon sieht folgendermaßen aus: Die Eheleute Schnur sind vermögend und haben eine Tochter. Das abbezahlte Familienheim im Wert von 750.000,- € gehört Frau Schnur, die es ihrerseits von ihren Eltern geerbt hat. Das übrige Vermögen besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben und Wertpapieranlagen sowie Schmuck und Fahrzeugen im Gesamtwert von 500.000,- € und gehört beiden Eheleute gemeinschaftlich.

Wenn die Eheleute Schnur sich nun gegenseitig zu Alleinerben einsetzen würden und Ihre Tochter zur Schlusserbin des Längstlebenden von ihnen, würde das beim Tod des ersten Ehepartners (noch) passen. Sollte Herr Schnur zuerst versterben, wäre es ganz problemlos: Weil Frau Schnur das Haus gehört, würde sie von ihrem verstorbenen Mann „nur“ die anteiligen Bankguthaben etc. im Wert von 250.000,- € erben. Das wäre steuerfrei. Im Ergebnis wäre dies ebenso, wenn Frau Schnur als erste verstirbt. Denn wenn Herr Schnur als ihr Erbe das Haus zu den 250.000,- € anteiligen Bankguthaben etc. bekommt und das Haus noch weitere zehn Jahre bewohnt, geht das Haus erbschaftssteuerlich steuerneutral auf ihn über.

Das Problem kommt erst am Ende, wenn der Letzte der beiden Eheleute Schnur verstirbt und die gemeinsame Tochter die alleinige Schlusserbin ist. Denn durch ihre gegenseitige Erbeinsetzung haben die Eheleute Schnur eine Vermögenskonzentration auf eine Person geschaffen, die nun auf einmal auf die Tochter übergeht. Insgesamt handelt es sich um ein Haus im Wert von 750.000,- € und weiteres Vermögen in Höhe von 500.000,- €, gesamt 1,25 Mio Euro. Die Tochter hat gegenüber dem zuletzt versterbenden Elternteil aber nur einen steuerlichen Freibetrag von 400.000,- €. Die oben genannte Sonderregelung für ein Haus gilt nur zwischen Eheleuten, aber nicht im Verhältnis Eltern-Kind. Im Ergebnis würden für die Tochter Erbschaftssteuern anfallen in Höhe von 161.500,- €. Ein katastrophales Ergebnis.

Das wäre bei rechtzeitiger – solange die Eheleute Schnur noch bei Gesundheit und testierfähig sind – und kluger Nachfolgeplanung vermeidbar gewesen. Auf welche Weise im Detail es vermeidbar gewesen wäre, hängt von den persönlichen Bedürfnissen, dem Sicherheitsdenken und den Wünschen der Beteiligten ab. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel gewesen, dass beide Eheleute die Tochter direkt zur Alleinerbin einsetzen und den anderen Ehepartner jeweils mit Vermächtnissen bedenken. Bei Frau Schnur als Erstversterbende hätte dies zum Beispiel vor allem ein lebtäglicher und unentgeltlicher Nießbrauch an dem Haus für ihren Mann sein können und bei Herrn Schnur ein Geldvermächtnis für seine Frau, jeweils verbunden mit weiteren Nießbrauchrechten an Einrichtung, Inventar, persönlichen Gegenständen etc.

Autor: Dr. Klaus Krebs

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