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Berliner Testament für immer?

Der Begriff „Berliner Testament“ ist weit verbreitet, obwohl es ihn streng genommen in der Rechtswissenschaft nicht gibt. Gemeint ist damit das gemeinschaftliche Testament – so auch der fachlich richtige Begriff – von Ehegatten, also die handschriftliche Errichtung von zwei Testamenten durch Eheleute in einer Urkunde, die zwar von beiden Eheleuten unterschrieben wird, aber nur von einem der beiden Ehepartner geschrieben wird. Ein absolutes unicum, wenn man sich die verschiedenen nationalen Erbrechtsordnungen anderer Länder anschaut. Der Begriff „Berliner Testament“ hierfür stammt übrigens tatsächlich aus dem Berliner Raum, als noch unter Geltung des preußischen Rechts Berliner Anwälte ab 1871 ihren Mandanten überwiegend eine Testamentsgestaltung empfohlen haben, in der sich die Eheleute gegenseitig zu Erben einsetzen und erst nach dem Ableben des Längstlebenden von ihnen ihre Kinder bedenken.

In jedem Fall ist diese Testamentsform auch heute noch vielfach anzutreffen. Sie eignet sich zwar nicht für alle Konstellationen, ist aber mit einigen Modifikationen und begleitenden Maßnahmen immer noch ein gutes Instrument in der Nachlassplanung und vor allem der Absicherung des länger lebenden Ehepartners, zumal in einem gemeinschaftlichen Testament nicht nur gegenseitige Erbeinsetzungen der Ehepartner vorgenommen werden, sondern durchaus auch unterschiedliche Erbfolgen für jeden der beiden Ehepartner bestimmt werden können, sollte der konkrete Fall dazu Anlass bieten.

Was geschieht aber, wenn einer der beiden Eheleute ein solches gemeinschaftliches Testament nicht mehr in der Form, wie es errichtet wurde, will? Wenn er oder sie eine Änderung will, sei es auch nur in einzelnen Punkten, aber der andere Ehepartner widerspricht? Die Ehe ist wohlgemerkt nicht gescheitert und soll auch nicht geschieden werden, aber es besteht Uneinigkeit über das vor vielen Jahren zusammen errichtete Testament. Möglicherweise weil sich die Umstände geändert haben oder weil eines der Kinder eine Entwicklung eingeschlagen hat, die zumindest einem Elternteil Sorge bereitet und die dieses Elternteil auch bei der Nachfolgeplanung berücksichtigt haben möchte. Ist dieser Ehepartner nun an das frühere gemeinschaftliche Testament gebunden, weil der andere Ehegatte eine Änderung verweigert?

Nein, das ist er nicht. Für diese besondere Konstellation gibt es den Widerruf eines gemeinschaftlich errichteten Testaments, der gesetzlich geregelt ist. Danach ist es jedem Ehegatten möglich, seine Erklärungen in einem solchen Testament zu widerrufen. Zu beachten ist dabei zweierlei: Zum einen muss der Widerruf notariell beurkundet werden. Es ist also nicht ausreichend, dass der widerrufende Ehepartner ein neues, handschriftliches Testament schreibt. Zum anderen muss die Ausfertigung der notariellen Urkunde über den Widerruf dem anderen Ehepartner zugestellt werden, was schon manches Mal vergessen, nicht richtig oder zu spät gemacht worden ist. Erst durch einen solchen Widerruf sind die sog. wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament, also in der Regel die dort vorgenomme-nen Erbeinsetzungen hinfällig und es gilt in Ermangelung testamentarischer Regelungen wieder die gesetzliche Erbfolge. Letztere kann wiederum ausgeschlossen werden, indem beide Ehepartner nach dem Widerruf entweder ein neues „Berliner Testament“ errichten oder – sollten sie keine Einigkeit darüber erzielen – jeder ein Einzeltestament.

Autor: Dr. Klaus Krebs

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