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Ein kniffliger Fall

Das Landgericht Leipzig hatte einen kniffligen Fall zu entscheiden, dem der folgende Sachverhalt zugrunde lag:

Zwei Eheleute hatten sich gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt und ihren Sohn und ihre Tochter zu Schlusserben des Längstlebenden.
Gleichzeitig erteilte die Ehefrau ihrem Sohn eine Vorsorgevollmacht. Jahre später erkrankte sie an Alzheimer und wurde geschäftsunfähig. Das Gericht bestellte einen Betreuer für sie, weil die Vorsorgevollmacht für bestimmte Bereiche (leider) nicht ausreichend war.

Da seine Frau finanziell versorgt war und mit dem weiteren Vermögen des Ehemannes aufgrund ihrer Erkrankung nichts hätte anfangen können, widerrief der Ehemann das Testament und setzte seinen Sohn und seine Tochter durch ein neues Einzeltestament zu seinen Erben ein. Der Widerruf wurde dem Sohn kraft dessen Vorsorgevollmacht zugestellt.

Als der Ehemann verstarb, war die Frage, von wem er beerbt wurde: Von seiner Frau wegen des gemeinschaftlichen Testaments oder von seinen Kindern kraft seines Einzeltestaments?
Gemeinschaftliche Testamente von Eheleuten, die wechselbezügliche, also gegenseitig bindende Verfügungen enthalten, können einseitig, also nur von einem Ehepartner widerrufen werden. Vorliegend war die Einsetzung der beiden Kinder zu Schlusserben eine solche wechselbezügliche Verfügung. Der Widerruf kann nur durch notariell beurkundete Erklärung erfolgen, die dem anderen Ehegatten zugehen muss.
In diesem Fall war der Ehemann für seinen Widerruf bei einem Notar und der Notar stellte dem Sohn als Vorsorgebevollmächtigtem den Widerruf zu.

Die Frage war nun, ob der Widerruf der richtigen Person zugestellt worden war, denn für die Ehefrau war ja auch ein Betreuer bestellt worden. Das Landgericht meinte ja:
Im Gesetz findet sich keine Regelung darüber, wem ein solcher Widerruf zugehen muss. In der Literatur und in der Rechtsprechung wird vertreten, dass dies der gesetzliche Vertreter sein müsse, also ein von dem Gericht bestellter Betreuer. Der Vorsorgebevollmächtigte ist zwar kein gesetzlicher Vertreter, aber – so das Landgericht weiter – es ist anerkannt, dass die gesetzliche Betreuung gegenüber der Vorsorgevollmacht nachrangig ist. Wenn also wie hier eine Vorsorgevollmacht vorliegt, deren Aufgabenkreise die Empfangnahme von Willenserklärungen umfasst, und die geeignet ist, das Wohl des Betreuten zu gewährleisten, reicht diese Vollmacht aus, um den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments entgegenzunehmen.

Der Widerruf gegenüber dem Vorsorgebevollmächtigten war also ausreichend. Ein Widerruf gegenüber dem Betreuer war nicht erforderlich. Der verstorbene Ehemann wurde gemäß seines Einzeltestaments von seinen beiden Kindern beerbt.
Einmal mehr zeigt sich, wie sinnvoll die Errichtung einer Vorsorgevollmacht ist, wobei es in diesem Fall sogar noch besser hätte gemacht werden können.

Denn wenn die Vorsorgevollmacht der Ehefrau von einem Fachmann entworfen worden wäre, hätte sie von Anfang an eine Betreuung überflüssig gemacht. Sie hätte dann alle Bereiche umfasst, für die eine Betreuung hätte angeordnet werden können, wodurch es gar nicht erst zu einer Betreuung gekommen wäre.

Das hätte den Beteiligten im vorliegenden Fall viel Zeit, Nerven und Geld gespart.
Autor: Dr. Klaus Krebs

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