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Pflichtteil und Auskunft nach Ausschlagung der Erbschaft?

Der Bundesgerichtshof hat am 30.11.2022 einen Fall entschieden und damit für Klarheit gesorgt, der zuvor in der Rechtswissenschaft umstritten war:

Der Erblasser hatte mit seiner schon früher verstorbenen Frau ein Testament errichtet, in dem er seine fünf Kinder zu seinen Erben eingesetzt hat. Zudem war Testamentsvollstreckung angeordnet und eines der Kinder zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Daraufhin schlugen drei Kinder die Erbschaft aus, machten ihre Pflichtteile geltend und verlangten im Wege der Stufenklage von den beiden verbleibenden, erbenden Geschwistern Auskunft und Zahlung. Zu Recht?

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass eine Erbschaft, die einem missfällt, ausgeschlagen werden kann, um dadurch zum Pflichtteil zu gelangen. Das ist grundsätzlich gerade nicht so. Die Ausschlagung führt in der Regel dazu, dass man gar nichts bekommt, also weder den Erbteil noch den Pflichtteil. Der Pflichtteil entsteht grundsätzlich immer nur dann, wenn man nichts bekommt, also nicht zum Erben eingesetzt ist („wenn man enterbt ist“).
Nur in ganz wenigen und im Gesetz bestimmten Ausnahmefällen führt die Ausschlagung einer Erbschaft zum Pflichtteil. Einer dieser Ausnahmefälle ist, wenn die Erbschaft durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung beschränkt ist. In diesem Fall kann der Erbe die ihm zugedachte, beschränkte Erbschaft ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen.

Bis hierhin waren sich die fünf Geschwister und deren Anwälte auch einig. Das Problem des Falles war ein anderes:
Der „normale“ Pflichtteilsberechtige, also der, der von Anfang an enterbt ist und nichts bekommen soll, auch keinen beschränkten Erbteil, hat aus seinem Pflichtteil neben seinem Zahlungsanspruch auch einen Auskunftsanspruch. Dieser Auskunftsanspruch verpflichtet den oder die Erben, ein Nachlassverzeichnis mit Wertangaben zu errichten, damit der Pflichtteilsberechtigte seinen Zahlungsanspruch beziffern kann.
Der Zahlungsanspruch und der Auskunftsanspruch sind im BGB in zwei verschiedenen Rechtsnormen geregelt. In diesem Fall verweigerten die beiden erbenden Geschwister die Auskunft und argumentierten, da die Gesetzesvorschrift, in der die Auskunft geregelt sei, mit den Worten „Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe …“ beginne, könne sich derjenige, der zunächst zum Erben berufen worden sei und erst durch die Ausschlagung der Erbschaft zu seinem Pflichtteil gekommen sei, nicht auf diese Gesetzesvorschrift stützen. Denn er sei eben kein „nicht Erbe“. Diese, durchaus spitzfindige Argumentation wurde tatsächlich in der Rechtswissenschaft vertreten.

Der Bundesgerichtshof ist dem (zu Recht) nicht gefolgt und hat nun für Klarheit gesorgt. Zum einen, so der BGH in seinem Urteil, verlange der Wortlaut des Gesetzes nur, dass jemand „nicht Erbe“ ist, ohne nach dem Zeitpunkt der fehlenden Erbenstellung zu differenzieren.

Somit ist auch derjenige, der kraft Ausschlagung „nicht Erbe“ wird, davon erfasst. Zum anderen ergebe sich auch aus den Gesetzesmaterialien zur Entstehungsgeschichte der Norm ganz klar, dass diese auch für den eine beschränkte Erbschaft ausschlagenden Pflichtteilsberechtigten gelten soll.
Folglich können die drei Geschwister nicht nur Zahlung verlangen, sondern auch Auskunft.

Autor: Dr. Klaus Krebs

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